Bei der Höhe des Einkommens sind junge Menschen und Ausländer genauso benachteiligt wie Frauen. 931 Euro im Monat verdienen Arbeitnehmer*innen unter 25 Jahren weniger als Ältere. Bei den Ausländern sind es 831 Euro im Monat, die im Gegensatz zu den Deutschen fehlen. Damit sind die Gehaltsunterschiede noch gravierender als zwischen Männer und Frauen. Hier liegt der Gehalts-Unterschied bei 452 Euro im Monat.
Junge Menschen und Ausländer sind damit Arbeitnehmer*innen ohne Berufsabschluss gleichgestellt. Mit 2.325 Euro (unter 25jährige), 2.463 Euro (Ausländer) und 2.425 Euro (ohne Berufsabschluss) sind die durchschnittlichen Gehälter nahezu identisch!
Alle vorgenannten Zahlen stammen aus der Beschäftigungsstatistik 2017 der Bundesagentur für Arbeit. Berücksichtigt wurden über 21 Millionen Vollzeit-Gehälter in brutto (Median) ohne Auszubildende.
Sind die verschärften Hartz 4 Sanktionen schuld?
Die Ursachen sind unklar. Unserer Ansicht nach dürften die verschärften Sanktionen der unter 25 Jährigen im SGB II (Hartz 4) eine wesentliche Rolle spielen. Junge Menschen werden im SGB II deutlich härter sanktioniert. Daher ist der Druck sehr groß, jede noch so schlecht bezahlte Stelle anzunehmen.
So ist es nicht verwunderlich, dass trotz Vollzeittätigkeit 41 Prozent aller Menschen unter 25 Jahren im Niedriglohnbereich (unter 2.139 Euro brutto) arbeiten. Bei den Ausländern sind es 38 Prozent, bei den Frauen 27 Prozent und bei den Männern insgesamt 16 Prozent.
Es geht übrigens noch schlimmer. Das IAQ hat neben in Vollzeit beschäftigten auch Teilzeittätigkeiten und Mini-Jobs berücksichtigt. Dadurch steigt der Niedriglohnanteil (bezogen auf den Stundenverdienst) auf 59 Prozent bei den unter 25jährigen (Jahr 2016) .
Weitere Gründe wie eine zu kurze Betriebszugehörigkeit oder zu geringe Fallzahlen auf Führungsebene scheiden als alleinige Gründe bei den jungen Erwachsenen aus, denn die deutlichen Gehaltsunterschiede finden sich auch in der Zeitarbeit wieder.
Deutliche Verdienstunterschiede auch im unteren Gehaltsbereich
Eine gewisse Rolle spielt vermutlich, dass es kaum Akademiker unter den jungen Menschen geben kann. Dies kann aber nicht der Hauptgrund sein, denn vergleicht man nur die untersten 20 Prozent bzw. 40 Prozent der jeweiligen Altersgruppen, so verdienen dort auch schon junge Arbeitnehmer*innen 480 Euro bzw. 788 Euro im Monat weniger als Ältere. Akademiker kann es aber auch bei den Älteren in der unteren Gehaltsebene kaum geben.
Und was ist mit der fehlenden Berufserfahrung, die die Jüngeren noch nicht in dem Ausmaß haben können? Die Rechtsprechung geht grundsätzlich zwar von einer höheren Produktivität bei steigender Berufserfahrung aus. Uns bleiben allerdings große Zweifel, dass dieser Effekt so extreme Gehaltsunterschiede von 931 Euro im Monat rechtfertigen kann. Zumal die Produktivität auch durch jede Menge anderer Einflussgrößen bestimmt wird (wie beispielsweise die körperliche Leistungsfähigkeit).
Ausländer*innen: 500 Euro weniger auch mit Berufsausbildung
Bei den Ausländern sind die Gründe genauso unklar. Auffallend ist, dass bei knapp 600.000 Ausländer*innen (25%) die Angaben zum Berufsabschluss fehlen. Dieser hohe Wert findet sich bei keiner anderen Gruppe. Wir haben deshalb zusätzlich die Gehälter von Menschen mit anerkannten Berufsabschluss (ca. 14 Millionen) verglichen. Auch ausschließlich in dieser Sparte sind Ausländer*innen – und auch junge Menschen – deutlich benachteiligt. Von allen Arbeitnehmer*innen mit anerkannten Berufsabschluss arbeiten insgesamt 19 Prozent im Niedriglohnbereich. Bei den Ausländer*innen mit Berufsabschluss sind es hingegen 31 Prozent, bei den junge Menschen mit Berufsausbildung sind es 32 Prozent. Somit verdienen Ausländer*innen mit Berufsabschluss jeden Monat circa 500 Euro weniger im Vergleich zum Durchschnittsgehalt aller Arbeitnehmer*innen mit Berufsausbildung, bei den jungen Arbeitnehmer*innen sind es gut 600 Euro im Monat weniger im Vergleich zum Durchschnittsgehalt aller Arbeitnehmer*innen mit Berufsausbildung.
Geringe Bezahlung wird kaum thematisiert
Wir wollen mit unserer Pressemitteilung den Fokus der Öffentlichkeit und Forschung erweitern, denn beim Thema Gehaltsgerechtigkeit finden beide Gruppen dort kaum Beachtung. Dies hat beispielsweise dazu geführt, dass das Entgelttransparenzgesetz ausschließlich eine unterschiedliche Bezahlung aufgrund des Geschlechts kennt. Deshalb sollte als erste Maßnahme die Anspruchsberechtigten dieses Gesetzes erweitert werden.
Die extremen Gehaltsunterschiede existieren seit Jahren und finden sich auch in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes. Trotzdem wird die geringe Bezahlung von jungen Menschen und Ausländer*innen kaum thematisiert. Wir hoffen deshalb, dass sich die Forschung dem Thema verstärkt annimmt und alle Ursachen der ungleichen Bezahlung aufklärt.
Insbesondere die Frage, ob hier 1,3 Millionen Arbeitnehmer*innen unter 25 Jahren bzw. 2,3 Millionen Ausländer*innen nicht einfach nur diskriminiert werden.
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